Oldtimer Sammeln ist eine besonders schwere Form der Suchterkrankung

Oldtimer Sammeln ist eine besonders schwere Form der Suchterkrankung

von Dr. Harry Niemann

Als Enzo Ferrari ein Buch über seine Fahrer schrieb, titelte er: „Piloti, che gente“Was für Menschen sind es, die sich solcherlei Gefahren und Strapazen im Rennwagen unterwerfen?

Eine ähnliche Frage stellt sich auch hinsichtlich der Sammler. Sammeln ist eine zehrende Leidenschaft. Nie ist der Sammler zufrieden. Entweder fehlen noch wichtige Stücke in der Sammlung, der Zustand der vorhandenen ist unbefriedigend, oder aber die Art der Präsentation lässt zu wünschen übrig. Das gilt für Kunst- wie für Uhrensammler oder Liebhaber ausgefallenen Porzellans.

Hat man gar eine große Sammlung, taucht die Frage auf: Sollte nicht Qualität vor Quantität gehen – und welche Stücke gilt es angesichts neuer Sammlungsrichtlinien auszusondern? Doch davon ist jenes Individuum, das am Anfang all solcher Überlegungen steht, meist noch meilenweit entfernt. Es ist noch geblendet von der Faszination der Jugendträume oder den phantastischen Gewinnerwartungen, die solche Artefakte versprechen.

Der Rolex-Chronograph etwa, noch 1978 für 1.600 Mark zu erwerben und nun mit 20.000 € zu Buche schlagend, der 300 SL Flügeltürer, 1956 für knapp unter 30.000 Mark erhältlich, 1993 hingegen bereits an der Million-Grenze kratzend und heute – je nach Erhaltungszustand – bis zu 1.000.000 € wert: alles wohlfeile Beispiele, wie Sammelleidenschaft zum Renditeobjekt werden kann.

Wer Bilder oder Uhren sammelt, kann sich – abgesehen von den wenigen Momenten, da die Neuerwerbung ergötzt – auf Tage und Stunden der Aufregung gefasst machen.

Ernst wird es indes, wenn die Sammelleidenschaft auf Automobile abzielt. Lassen wir Lastwagen und Omnibusse außen vor und konzentrieren uns auf Renn- und Personenwagen.

Was soll man erwerben? Sammelt man thematisch oder nach Marken? Die Exoten wie Amilcar, Delahaye und Hispano-Suiza – oder Marken, die sich seit Jahren der Wertschätzung größerer Sammlerkreise erfreuen, wie fast alle Ferrari-Modelle, die Vorkriegsrennwagen von Alfa Romeo (6 C und 8 C), Porsche-Modelle – vor allem jene, auf denen RS steht –, die Vorkriegs-Rolls-Royce oder gar Bugatti und Maybach?

Das hängt in erster Linie vom Portfolio der Einsatzmöglichkeiten ab. Will man an der Mille Miglia Historica teilnehmen, so geht dies nur mit einem Fahrzeug, das auch bei der echten Mille eingesetzt wurde – dann kann es auch ein Mercedes-Benz 180 D sein. Oder will man beim London–Brighton Run starten? Das wiederum ist nur mit einem Fahrzeug der Baujahre bis 1904 möglich.

Diese ganz frühen Fahrzeuge sind extrem schwer zu bekommen, sodass ein originales Benz Velo, ein eher einfaches Fahrzeug, bis zu 250.000 € kosten kann. Dafür besitzt man dann aber auch das erste Serienautomobil der Welt – von dem lediglich rund 1.200 Exponate gebaut wurden.

Wer hingegen beim Goodwood Festival of Speed teilnehmen möchte, dem empfiehlt sich ein entsprechender Rennwagen: etwa ein Porsche 906 oder 908 oder gar ein Silberpfeil von Mercedes-Benz, ein W 125 beispielsweise, wie ihn Bernie Ecclestone besitzt. Zusammen mit einer entsprechenden Fahrerpersönlichkeit in den Nennunterlagen steht dem Start nun nichts mehr im Wege.

Doch schon bei Veranstaltungen wie der Ennstal-Classic hat man mit einem Fahrzeug jenseits der 1960er Jahre wenig Chancen auf einen Startplatz. Hier wird der Jaguar XK 120 dem E-Type eindeutig vorgezogen. Wer bei den Mercedes Classic Days starten möchte, braucht dazu selbstverständlich ein hauseigenes Objekt.

Bei dieser Marke ist allerdings auch die zeitliche Spannweite des Angebotes am größten: 120 Jahre Automobilgeschichte. In diesem Zeitraum und bei nahezu 1.300 Baureihen, die bei Benz & Cie., der Daimler-Motoren-Gesellschaft und der Daimler-Benz AG entstanden sind, bietet sich fast für jeden Geldbeutel ein entsprechendes Objekt – was eine nähere Betrachtung der Produktpalette erfordert.

Selbstredend deckt die Marke mit dem Stern alle Veranstaltungsvarianten ab, denn an Rennen beteiligte man sich schon seit 1895. Limousinen von Mercedes-Benz sind dabei am günstigsten – günstig allerdings relativ. Einen guten Youngtimer wie den /8 oder den W 123 erhält man schon unter 10.000 €, einen „Adenauer“ – immerhin das Spitzenprodukt der fünfziger Jahre – unter 100.000 €, und selbst ein Vorkriegskompressor ist als Innenlenker, so die zeitgenössische Bezeichnung, deutlich günstiger als ein originales Cabriolet A, B oder C oder gar der rare Spezialroadster.

Es gibt preiswerte Vorkriegsautomobile mit dem Stern, etwa die Heckmotorbaureihe 130 bis 170 H. Aber auch ein 170 V oder 230 ist unter 50.000 € zu haben.

Wer allerdings mit einem Sechs- oder Achtzylinder-Kompressor liebäugelt, sollte schon ein mehr als gut gefülltes Bankkonto besitzen – das gilt sowohl für Anschaffung als auch für Folgekosten. Roadster, Coupé und Cabriolet der Achtzylinder-Typen 500 K / 540 K kosten heute zwischen 800.000 und 1,6 Mio. €, Tendenz steigend.

Wer auf einen Silberpfeil der 1930er Jahre spekuliert, kann sich glücklich schätzen, wenn einer der wenigen überhaupt auf dem freien Markt angeboten wird. Die meisten Fahrzeuge befinden sich im Werksbesitz und sind somit unverkäuflich. Mehr Chancen hat man bei den Vorgängertypen, die keine reinrassigen Rennwagen waren, sondern auch im Straßenbetrieb gefahren wurden – den legendären S-Typen.

Ob nun S, SS oder SSK – allesamt sind sie heiß begehrt. Leider vermehren sich zurzeit gerade die SSK-Modelle sprunghaft. Böse Menschen sägen dazu einfach ein S- oder SS-Chassis ab – Originalität ade. Sollten Sie allerdings über einen nachweislich echten SSK verfügen: herzlichen Glückwunsch! 2006 wurde ein solches Exemplar für stolze 3,8 Mio. Pfund versteigert. Es sollte allerdings auch echt sein – am besten vom Werk zertifiziert.

Rarissima sind auch die Simplex-Modelle, die ersten Mercedes überhaupt – noch ohne Benz. Zum 100-jährigen Jubiläum der Marke kaufte das Mercedes-Benz Museum einen solchen Typ für 1,5 Mio. Dollar. Heute ist er im Mythos-Raum Mercedes des neuen Museums zu bewundern.

Hätten Ihre Altvorderen ihr Exemplar – so sie denn eines besaßen – nur aufgehoben! Wie Baron von Kevenhüller, der heute noch mit dem restaurierten Wagen zum Markt fährt.

 


Allerdings musste man 1902 für einen viersitzigen Phaeton mit 20 PS auch 20.000 Mark zahlen. Dafür erhielt man damals eine Villa am Stadtrand – die seither ebenfalls an Wert gewonnen hätte.

Allerdings: einfach Platz nehmen, kurz die Kurbel drehen und losfahren ist bei einem solch frühen Baujahr nicht möglich. Allein das Abschmieren des Fahrzeugs artet in eine regelrechte Serviceorgie aus. Wohl dem, der über eigene Mechaniker verfügt – wie es auch bei den ursprünglichen Besitzern üblich war.

Aber auch Nachkriegsfahrzeuge der 1950er Jahre können extreme Wertsteigerungen erfahren. Alle Varianten des 300 SL der Baureihe W 198 sind heiß begehrt und gelten als Eintrittskarten in den exklusiven 300 SL-Club. Für den Alltagsbetrieb besonders zu empfehlen ist der Roadster, der ab 1961 auch mit Scheibenbremsen erhältlich war – ein Auto, das sich wunderbar auch bei heutigen Verkehrsverhältnissen fahren lässt und mit 215 PS über genügend Leistung verfügt.

Sie sollten allerdings für einen Wagen im Zustand 1 – das heißt: makellos, ohne Mängel an Technik, Optik oder Historie – etwa 850.000 € kalkulieren. Wer eine „Note 5“ erwirbt und sich auf den steinigen Weg der Restaurierung begibt, zahlt am Ende vielleicht sogar mehr.

Egal, welches Fahrzeug Sie kaufen: War es im Besitz eines Prominenten – etwa von Papst Johannes XXIII., Leonid Breschnew oder Helmut Kohl – verteuert sich das gute Stück automatisch. Wer möchte nicht gerne das Mercedes-Benz SS-Coupé fahren, das Rudolf Caracciola einst als Dienstwagen nutzte? (SS steht übrigens für Super Sport.)

Doch wer Oldtimer unter rein spekulativen Aspekten zu kaufen gedenkt – getreu der Maxime „Lieber Oldtimer in der Garage als Aktien im Depot“ –, der sei gewarnt: Ohne dass Super Plus im Blutkreislauf fließt, kann der Organismus jene Schrecken und Katastrophen, die das rostigste Hobby der Welt mit sich bringt, nicht verkraften.

Dr. Harry Niemann, Autor für Automobildokumentationen bei Quintessenz Manufaktur für Chroniken

Dr. Harry Niemann leitete das Historische Archiv der Mercedes-Benz AG sowie den Bereich Unternehmensgeschichte. Er veröffentlicht zahlreiche technik- und unternehmensgeschichtliche Arbeiten,
Heute ist er Autor bei der Quintessenz Manufaktur für Chroniken und dokumentiert Automobilsammlungen mit kenntnisreichem, zugleich flüssigem Schreibstil – informativ für Fachleute wie auch für Laien. Eine Übersicht seiner Bücher findet sich auf www.hn-car-heritage.com.

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